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DIE SÜDSEITE

Schloss, Alte Brücke, Philosophenweg war gestern

Katzen, Kalbitz, Kubitschek

Andreas Kalbitz von der AfD Brandenburg wurde von der JA Kurpfalz in die Stadtbücherei Heidelberg geladen und das stört keinen. Jedenfalls stört es keinen in Heidelberg, der zumindest hätte versuchen können, es zu unterbinden. Darüber haben wir uns schon ausführlich unterhalten.

Da er also zweifellos kommt, kann man ihn sich auch genauer anschauen. Man muss ja schließlich wissen, welchen Floh sich die Stadt Heidelberg in den Pelz setzt und meint, das sei demokratisch notwendig und kann nicht verhindert werden.

Über Kalbitz ist genug in letzter Zeit gesprochen worden. Er hat eine Biografie, die keinen anderen Schluss zulässt, als dass es sich bei ihm um einen ideologisch gefestigten, hartgesottenen Rechtsextremen handelt. Da braucht man nichts beschönigen, da gibt’s nichts zu relativieren. Ausreichend Belege liegen vor.

In der Presse gilt Kalbitz als einer der pfiffigeren AfDen. Also als einer der reden kann und souverän auftritt. Grund genug, dachten wir uns, die Botschaften des Profidemagogen mal gründlicher zu prüfen. Und siehe da… wir hatten mächtig Spaß!

Natürlich haut er die üblichen Triggerwords raus und die üblichen Parolen. Das ist fade, weil es bei allen AfDen dasselbe ist. Wenn man also da gar nicht mehr versucht irgendwas Sinnvolles oder gar Skandalöses zu entdecken, dann kann man sich aufmerksam dem widmen, was er sonst so sagt und wie er das formuliert, was seine Manierismen sind.

Er mag es z. B. gar nicht, wenn man seinen Redefluss unterbricht. Nicht mal mit Applaus. Dann stoppt er gleich und schaut ganz grimmig, bis es wieder ruhig ist und er fortfahren kann seine großen Gedanken zu äußern. Außerdem fällt ein trumpscher Hang zur Wiederholung auf, bei dem man sich fragt, ob er damit Zeit schindet. Ganz oft rotzt Kalbitz eine These in die Welt, stellt sich dann selbst die Frage „Warum“ dies oder jenes so sei und beantwortet dann die Frage, die er selbst gestellt hat, statt einfach gleich mitzuteilen, was er mitzuteilen hat. Man kann das mal machen, aber er macht es ständig und es fängt irgendwann an eigenartig zu wirken.

Kalbitz‘ starker Hang zu seltsamen Bildern ist ein weiteres Feature. Das ist so arg, dass es oft wirklich brüllend komisch bis sehr bizarr ist. Z. B. sagte er mal:
„Da kann man den Kaffeesatz an die Wand werfen, um daraus zu lesen…“ – Äh, wie bidde?
Aus dem Kaffeesatz lesen, das kennt man als traditionelle Wahrsagepraxis zweifelhafter Zuverlässigkeit. Dass man ihn dazu an die Wand schmeißt, ist aber eine ganz neue Methode und man fragt sich: In der Tasse? Falls ja, ist es überflüssig den Kaffesatz anzuschauen, wenn er an der Wand klebt, denn wenn erst mal Porzellan fliegt, weiß man was los ist. Ohne umgebendes Geschirr ist das Werfen der Brühreste übrigens auch nicht logischer.

Ein weiteres Beispiel gefällig?
 „Wir (anm. Autor: gemeint ist die AfD) haben die Geburtswehen überstanden, die Nachblutungen auch. Irgendwie sind wir immer noch schwer in der Pubertät aber wir wachsen.“
Wenn man denkt, während man sowas hört, dann denkt man da: „Hä?“

Die AfD ist ein Männerverein. Die Geburtserfahrung macht man für gewöhnlich als Mann eher nicht und hat dann auch nur sehr indirekt mit Nachblutungen zu tun. Das Bild des Gebärens ist also für einen Verein wie die AfD schon recht abwegig. Dann aber kommt ein fulminanter Sprung in eine ominöse Pubertät. Jetzt staunt der Laie: War die Gebärende nicht geschlechtsreif, wie kam es dann zur Notwendigkeit eines Gebärvorgangs. Überhaupt: Minderjährige? Kinder?… Nein, der Redner ist offensichtlich verwirrt. Die Partei hat gar nichts geboren, sondern ist geboren worden, hat die Kindheit übersprungen und ist jetzt pubertär. Man fragt sich aber halt bei diesem Bild unweigerlich: Aus welchem Schoß ist sie denn bei der Geburt gekrochen, diese pubertierende Partei?

Aber nicht nur Kalbitz selbst liebt das schräge Bild, er schätzt es auch bei anderen Autoren. So zitierte er bei einem Vortrag der JA in Dresden und auch auf dem JA Landeskongress einen Text von Götz Kubitschek, dem von Leuten wie Kalbitz hoch verehrten rechtsphilosophierenden Bauernhofbesitzer aus der ostdeutschen Walachei.

Laut Kalbitz handelt es sich um eine Schreibarbeit mit dem Titel „Selbstverständlichkeiten als Minimalprogramm“:

„Es ist wie in der Geschichte von der Katze und der Taube. Der Vogel ist ein bisschen zu groß für den Jäger, aber weil er sich den Flügel gebrochen hat, kann er nicht entkommen. Nun wird er die Treppe hinuntergezerrt. Er flattert nicht mehr, er wehrt sich nicht mehr. Sein Kopf knallt gegen jede Stufe und wir sind noch lange nicht im Keller.
Die politische Klasse hat unseren Staat und unser Volk am Wickel und schleift die Beute Stufe für Stufe hinab. Wir selbst, recht wehrlos, bisweilen mutlos, aufs Ganze gesehen sprachlos, wissen Dreierlei: Dass wir einen gebrochenen Flügel haben, dass wir noch längst nicht ganz unten sind und dass wir, sollten wir uns berappeln Stufe für Stufe wieder hinaufsteigen müssen. Dieses Hinaufsteigen wäre nichts anderes als die Wiederherstellung von Selbstverständlichkeiten. Das müssen wir uns klar machen. Es geht in unserer Lage und an der politischen Oberfläche nicht mehr um die großen Entwürfe, nicht mehr um ein politisches Ausgreifen, sondern um Selbstverständlichkeiten. Um Grundsätze, banale Forderungen. Das bedeutet nicht, dass wir keinen Begriff mehr davon hätten, wie es eigentlich sein sollte und natürlich bedürfte es mehr als nur einer Tendenzwende, aber derlei ist nicht an der Reihe, derzeit. Es geht ums Aufhalten, um die Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit und wer der AfD in ihrem metapolitischen Umfeld vorwirft man lese von rechts nichts über die Details der Umsetzung in einer komplexen, modernen Gesellschaft, hat nicht begriffen, dass es nie um Details geht, wenn der Kopf auf die Treppenstufen knallt, sondern darum sich loszustrampeln, aufzuraffen und auf den Weg zurück nach oben zu machen. Und das heißt: Selbstverständlichkeiten zu fordern und durchzusetzen.“

Es ist klar, er erklärt’s ja sogar nach der kurzen Einleitung selbst: Die Katze ist der Staat/die Regierung, der angeditschte große Vogel ist „das FOLG“ (im Gegensatz zum normalen Volk, zu dem auch wir und ganz viele andere für Neurechte unerwünschte Personen gehören, besteht „das FOLG“ nur aus Mitgliedern die ideologisch dem Gesülze von Leuten wie Kubitschek und Kalbitz FOLGEN). Dass er überhaupt beschädigt ist – und eine Taube -, das hat natürlich auch was zu bedeuten. Der flügellahme Flattermann mit dem total friedlichen Image (vergessen wir, dass man Tauben auch gern mal „Ratten der Lüfte nennt) hat schon gelitten, bevor er dem Raubtier begegnete. Was kann das wohl in der Denke rechter Nationalisten bedeuten, hm? Richtig, Deutschland (das an nichts schuld war) hat den Krieg verloren und das finden sie sehr bedauerlich.

Wir wissen worauf er raus will. Dazu hätte es keinen schwülstigen Wust gebraucht, er hätt’s auch einfach so sagen können, der Kubitschek, aber das ist ja dann nicht verbrämt genug für die romantisierten Nationalisten, da muss immer Schmus dran. Und wenn es keinen Schmus gibt, erfindet man sich halt eine Geschichte, wie die von „Der Katze und der Taube“. Die ist keiner der großen Klassiker der Tierfabeln, wie etwa der „Der Fuchs und die Trauben“ oder „Der Hase und der Igel“. Vielleicht ist es eine apokryphe Erzählung aus dem Neurechten Milieu, das wissen wir nicht. Wahrscheinlicher jedoch hat sie der Kubitschek aber einfach nur mal kurz erfunden. Für’s Ambiente.

Also man hört das (oder liest es) und der Katzenkenner schüttelt den Kopf. Man merkt Kubitscheks Text an, dass er dem Geist einer idealisierten Naturbeobachtung entspringt. Die Natur ist, was man drin sehen möchte, nicht das, was sie wirklich ist. Wie ja auch die politische Idee der Neurechten eine ist, in der Realtiät das ist, was man zur Realität erklärt und nicht das, was vor der Tür wirklich passiert.

Wenn eine Katze – was sie gelegentlich oder auch mal öfter tut – einen großen Vogel erledigt, dann macht sie das ganz ohne dass das Flugtier vorgeschädigt ist. Klar nimmt sie vielleicht auch einen Invaliden mit, wenn sich die Gelegenheit ergibt, aber in der Regel sind Katzen ambitioniertere Jäger.
Auch was die Größe der Beute betrifft, scheint der Autor nicht allzu genau hingeschaut zu haben und den Charakter der Katzen nicht zu kennen. Klar ist eine Taube ein Brocken, aber da jede Katze überzeugt davon ist ein Löwe zu sein, entspricht die Taube im Verhältnis recht genau einer Antilope. Passt also ins Beuteschema.

Schauen wir weiter: Die Katze zerrt den Vogel eine Treppe hinunter.
Das macht keine Katze. Sie trägt ihn. Zerren, das hieße, dass sie ihn entweder neben oder hinter sich her schliffe oder gar mit dem Hintern voran rückwärts die Treppe hinabstiege. Rückwärts mögen Katzen gar nicht. Es sind Tiere, die immer nach vorn schauen wollen. Eine Charaktereigenschaft, die sie womöglich dem Herrn Kubitschek sehr unsympatisch macht. Der Bewegungsablauf muss aber sein, weil sonst der Kopf der Taube nicht dramatisch auf die Stufen schlagen könnte, was er in Wahrheit auch nie tut, denn Katzen haben den Vogel entweder am Genick oder an der Gurgel. Um den Kopf eines Vogels so auf Stufen zu knallen, müsste die Katze entweder ihr eigenes Haupt mit drauf schlagen oder sie hat keine Taube gejagt sondern eine Gans oder gar einen Schwan, bei denen durch die Länge des Halses ein solcher Bewegungsablauf möglich wäre. Dass der Herr Kubitschek bei seiner mangelhaften Beobachtungsgabe eine Taube mit anderen Vögeln verwechselt, halten wir für möglich. Eine Katze (eine Hauskatze jedenfalls und nur die trüge ihre Beute in einen Keller) täte das sicher nicht und lässt die Pfoten von Gänsen und Schwänen, selbst solchen mit gebrochenen Flügeln.

Jetzt ein kurzer Blick auf den Vogel – die Taube: Es ist kein Leben mehr in ihm. Er flattert nicht mehr, er wehrt sich nicht mehr. Nein, wahrscheinlich nicht, denn in seinem Hals stecken Fangzähne und das nach Beschreibung schon eine Weile. Aber gehen wir ruhig davon aus, das sei noch nicht lethal zum Zeitpunkt des Abstiegs in den Keller, in dem Katze und Beute laut Kubitschek noch lange nicht angekommen sind. Was heißt das? Die Treppe ist der Zustand des Landes, mit dem es natürlich bergab geht. Das ist ein sehr populistisches Motiv und auch recht volksnah. Es geht in der Einschätzung jeder Stammtischgesellschaft durch sämtliche Jahrhunderte IMMER bergab. Es ging nie woanders hin. Irgendwas ist immer am Zusammenbrechen. Sei es die Wirtschaft die Sicherheit oder die Sitten und die Moral. Die Treppe auf der sich Kubitscheks Fabeltiere befinden ist praktisch unendlich. Geht man aber davon aus, dass Kubitschek ein Ende voraussetzt, ist es noch lange nicht erreicht, sagt er. Und das heißt, dass ihm klar ist, dass die Mär von der vor der Tür bereits herrschenden Anarchie, den rauchenden Trümmern und marodierenden Horden, vor denen er und seine Spießgesellen Deutschland retten möchten ein bewusst aufgebautes Horrorszenario ist, um sein Publikum zu hysterisieren.

Dann kommt der Mittelteil des Textes. Da erklärt er vieles von der Eingangsymbolik. Auf die eigentliche Geschichte bezogen heißt es nach ein paar Zeilen: Dass wir … sollten wir uns berappeln Stufe für Stufe wieder hinaufsteigen müssen. „Wir“ – zur Erinnerung, das ist „das FOLG“ = die Taube. Die mit dem mindestens teilweise durchgebissenen Genick und dem gebrochenen Flügel. Egal was im Keller noch an Leben vorhanden sein sollte, „berappeln“ ist ein äußerst optimistisch gewählter Ausdruck. Sagen wir mal der Taube gelänge es doch sich noch einmal zu befreien. Was würde passieren? Eines sicher nicht. Der verdammte Vogel würde nicht Stufe für Stufe zivilisiert Treppensteigen.

Im richtigen Leben torkelt, springt und flattert so ein Tier vielleicht noch kurz wie ein Wahnsinniger durch die Gegend, knallt an Wände und gibt irgendwann den Geist auf, während die Katze ruhig dabei sitzt und mit einer gewissen Faszination zuschaut.

Wenn es ein extrem Rustikaler wie Kubitschek nicht schafft auf seinem brüchigen Gehöft in der sachsen-anhaltinischen Einöde eine Katze richtig zu beobachten, wie weit kann man dann seiner Analyse gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse trauen? Wohl genauso weit wie man den Bären schmeißen kann, den er einem aufzubinden versucht.

Wenn man sich nun fragt, warum das denn keiner merkt, lässt sich das ganz leicht mit einer Katze und einer Taube erklären: Auch hier ist die Taube „das FOLG“, die Katze, das sind diesmal die neurechten Demagogen. Die haben ihr Publikum am Genick. Es wehrt sich nicht mehr, es flattert nicht mehr. Es sitzt paralysiert in den Vorträgen, und wenn sie es los lassen, dann sind sie sich sicher, dass sich nichts berappelt und keiner entkommt.

Jetzt ist der Zauber der Komik leider verflogen. Tut uns leid, aber es ist nicht zu vermeiden. Wenn man sich mit Leuten wie Kalbitz und Kubitschek einlässt, dann endet es böse. Immer.

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