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DIE SÜDSEITE

Schloss, Alte Brücke, Philosophenweg war gestern

Desinvoltura oder das humbugsche Indoktrinations-Ideal nach Kalbitz

Andreas Edwin Kalbitz wurde 1972 in München geboren, ist also inzwischen seit 45 Jahren auf der Welt. Das sagt sein Lebenslauf, wie er auch auf den Seiten des Landtages Brandenburg zu finden ist.
Die ersten 22 Jahre seines Lebens finden in der Vita nicht statt. Schulausbildung, Lehre, Studium, was man halt so macht? Keine Information dazu vorhanden. 1994 dann: Fallschirmjäger bei der Bundeswehr bis 2006, ab 2005 bis 2007 „Studium der Informatik“ an der FH Brandenburg. Mittlerweile ist klar, dass es das nicht gab. Kalbitz war eingeschrieben, profitierte von Vergünstigungen, tauchte aber vier Semester lang nicht auf. Nach eigener Aussage sei er mal da gewesen und habe mit einer Professorin geredet. Prüfungen hat er keine abgelegt. Es folgte die Exmatrikulation. Daraus macht er gar kein Geheimnis (http://www.maz-online.de/Lokales/Brandenburg-Havel/Andreas-Kalbitz-schoent-seinen-Lebenslauf).

Zeitgleich, noch während er also nicht studierte – sagt sein Lebenslauf –, absolvierte Herr Kalbitz von 2006 bis 2008 eine Ausbildung zum Medienkaufmann (Digital und Print), um dann als mit 38 Jahren frisch Ausgelernter ab 2009 Geschäftsführer eines Verlages zu sein, der 2013 insolvent ging. Danach war er selbständig als „IT-Consultant/-Technik“, angeblich für BMW und Mercedes. Na klar. Die sind ja auch bekannt dafür, dass sie sich ungeschultes Personal als Consultants holen, im IT-Bereich…
Die Firma, mit der Herr Kalbitz so erfolgreich tätig gewesen sein will hat einen interessanten Namen: desinvoltura.media- IT-Technik/-Consulting

DESINVOLTURA? Wie die Desinvoltúre von Ernst Jünger? Der Zustand jener kompletten Verantwortungslosigkeit und Tugendverachtung, der einstens Feudalherren am Höhepunkt ihrer Macht „auszeichnete“ und die laut Jünger sich jene anzueignen bemüht sein sollten, die nach Umsturz und Machübernahme streben? SO nennt einer seine IT-Firma?

Nehmt’s uns nicht übel, aber wenn sich wirklich – was man unter den gegebenen Umständen anzweifeln kann – große deutsche Autobauer einen IT-Typen engagiert haben sollten, der schon in seinem Firmennamen laut und deutlich mitteilt, dass er keine moralische Verantwortung kennt… Leute, wir würden aber ganz arg ins Nachdenken – und ggf. Schwitzen – kommen, was unsere IT-Sicherheit betrifft.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46170031.html
https://www.landtag.brandenburg.de/de/666532

Neben seinem quasi „förmlichen“ wenn auch äußerst holprigen Lebenslauf ist inzwischen natürlich auch Allerlei über Nebentätigkeiten bekannt. Das steht auf Kalbitz‘ Wikipedia-Seite und an diversen anderen Orten. Und da gibt’s dann auch den einen oder anderen Hinweis, was Herr Kalbitz in den 22 Jahren VOR seiner Bundeswehrkarriere angestellt hat.

Z. B. war er erst bei der Jungen Union, dann bei der CSU und mit 21 trat er den Republikanern bei, die bekanntermaßen rechtsextrem verortet wurden.
Mitglied der schlagenden Pennälerburschenschaft Saxonia-Czernowitz, die im Haus der Burschenschaft Danubia ihre Räume hat, war der Herr Kalbitz auch und ist heute Alter Herr der Verbindung. Einer Anfrage an die bayerische Regierung kann man entnehmen:„Über die Münchener Burschenschaft Danubia informiert der jährliche Verfassungsschutzbericht.“

Auf der Homepage und fb-Seite der Pennäler erfährt man dass Herr Kalbitz ein Alter Herr ist und AfDs Klonovsky und Kubitschek/PEGIDAs Akif Pirinçci bei den Jungspunden zum Vorlesen auftauchen… wisst Ihr Bescheid?
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/blogger-christian-becker-grosse-szene-1.2947880

https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/17_0009235.pdf

Kalbitz schrieb natürlich auch – wie ja jeder Kader der Neuen Rechten – für die „Junge Freiheit“, war Autor des Witikobriefes und saß 1993 für den Witikobund (https://de.wikipedia.org/wiki/Witikobund) auf einer Podiumsdiskussion die Hans-Ulrich Kopp leitete. Ob Kalbitz Mitglied im Witikobund war… man weiß es nicht genau. Gekannt hat man sich offensichtlich, hatte sich auch was zu sagen und ein gewisses Vertrauen zueinander.

2007 war er dann im Pfingstlager der damals vom Verfassungsschutz beobachteten und später verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ), wo er sich „mal informieren“ wollte.

2013 trat er der AfD bei. Was er da treibt, ist hinlänglich bekannt (Erfurter Resolution, Kumpel von Höcke, Nachfolger von Gauland im Landtag…)
Ab Dezember 2014 war Kalbitz dann auch noch Vorsitzender des rechtsextremen Vereins Kultur- und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit bis 2015, weil das da aufflog und dann doch irgendwie nicht sooo dolle gut ankam.

Ihr werdet es nicht glauben: In dem Verein hat Kalbitz natürlich nichts gemacht. Wie er offensichtlich überall wo er drinhängt nie was macht, von nichts was weiß und nichts mit nichts zu tun hat. Desinvoltura!

Aber warum erzählen wir Euch das überhaupt alles? Weil wir in Heidelberg den Herrn Kalbitz demnächst sprechen hören. Auf einer Veranstaltung der JA Kurpfalz in Zusammenarbeit mit der AfD Heidelberg und weil wir uns im Vorfeld überlegen, was das wohl für eine Gestalt ist, die von der Stadt Heidelberg in den Hilde-Domin-Saal der hiesigen Stadtbibliothek gelassen wird, ohne dass auch nur einer mit der Wimper zuckt, um es zu verhindern. Wir wollen, dass Ihr – und hoffentlich lesen es auch die Verantwortlichen der Stadt Heidelberg – GENAU wisst, wer in unseren öffentlichen Räumen spricht.

Außerdem ist die Biografie des Herrn Kalbitz höchst interessant, wenn man sich einen typischen Topos der Kalbitzschen Rede vornimmt, von dem wir annehmen, dass wir ihn auch in Heidelberg zu hören bekommen werden, weil er dafür wie geschaffen ist. Das Thema der Veranstaltung lautet nämlich „Politik für unsere Jugend – Kein Bock auf Gender, Einheitsschule, …“.

Wie alle AfDen schmückt der Herr Kalbitz gerne seine Rede mit historischen Namen aus. Goethe kommt bei ihm vor und die Humboldts. Und das humboldtsche Bildungsideal.

Letzteres gibt’s nicht mehr, sagt der Herr Kalbitz, es wurde zerstört von „den Altparteien“, den „Deutschlandhassern“, „Deutschlandabschaffern“ usw. usf.

Die unterrichten nämlich in Grundschulen Frühsexualisierung, sagt er und deshalb werden die Kinder blöd und im Studium ist dann alles Bolognese und sie sollen nur schnell in die Welt geschmissen werden und dort international verfügbares Humankapital sein, überall einsetzbar und sich mit jedem verstehen! Bäh wie eklig, das haben sie zu verantworten die „Deutschlandhasser“ die das humboldtsche Bildungsideal verraten haben…

Das Publikum sitzt für gewöhnlich in bekannter Manier da, hört sich das an, schaut mit dräuenden Brauen finster und nickt verständig. DOCH MOMENT!

DAS HUMBOLDTSCHE BILDUNGSIDEAL

„Soviel Welt als möglich in die eigene Person zu verwandeln, ist im höheren Sinn des Wortes Leben.“

Humboldt wollte Weltbürger formen. WELTBÜRGER.

Das sind diese offenen, neugierigen, polyglotten Wesen, die mit Menschen aller Nationen zusammenarbeiten und voneinander lernen. Die Respekt haben vor der Welt.

Wenn man eines bei der AfD definitiv NICHT haben will, dann sind das Weltbürger. Man will DEUTSCHE!

Eigentlich müssten in den Vorträgen etliche aufspringen und brüllen: „Der Kalbitz will die NWO!“
Passiert aber nicht, denn Ihr erinnert Euch: Katzen und Tauben!

Eines sollten wir darüberhinaus auch nicht vergessen: Humboldt war privilegiert, er hatte Geld und Möglichkeiten und lebte in einer Welt der Begüterten und Gebildeten. Als Kind seiner Zeit war ihm die Idee einer egalitären Gesellschaft zwar vielleicht sympathisch, aber sicher umfasste das Egalitäre nicht die Gesamtheit der Bevölkerung. Für die Massen ersann er das dreigliedrige Schulsystem, das war damals zwar der Knaller, wenn man heute aber in einer Gesellschaft zu leben hofft, in der es keine selbstverständlichen Standesunterschiede zwischen den privilegierten Klassen und dem ungewaschenen Rest geben soll, dann ist mit Humboldt kein Blumentopf zu gewinnen, denn Humboldts System ist auf Elitenbildung ausgerichtet. ELITEN… Ihr wisst schon, das sind die, die von der AfD verantwortlich gemacht werden für eigentlich alles was schlecht ist in der Welt. Die AfD propagiert eine tiefe Verachtung rein akademischer oder gar akademisch/politischer Lebensläufe. Männern mit entsprechenden Mitteln genau solche Lebensläufe zu ermöglichen, galt aber für Humboldt als die Königsdisziplin seines Ideals.

Ist Kalbitz das klar? Natürlich.
Er propagiert ganz bewusst eine Gesellschaft, in der es die gibt die führen und solche die folgen. Es schert Ihn nicht im selben Atemzug verkopfte Bildungseliten zu verhöhnen und für seine eigenen Spießgesellen – diejenigen in seinen Vorträgen die um die Doppelzüngigkeit der Darbietung wissen, z. B. die Burschenschafter, die ihn einladen – eine schwarze Comedy zu produzieren mit einem Publikum aus Wissenden und Nickenden. Zur Unterhaltung der Ersten und im Erfolgsfall um den Letzteren sagen zu können: „Was wollt Ihr denn? Ich hab Euch nie belogen.“ – nur fett verarscht, mit „Frühsexualisierung“ und „Gendergaga“ aber das ist ja der Witz. Desinvoltura, so geht das.

 

PS: Ein Bisschen was hätten Kalbitz und Wilhelm von Humboldt allerdings FAST gemeinsam:
4 Semester an einer Hochschule. Wobei Humboldt die seinen tatsächlich studierte, während Kalbitz Gott weiß was machte.

 

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