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DIE SÜDSEITE

Schloss, Alte Brücke, Philosophenweg war gestern

Rechte Szenen

Am Morgen des 30. Dezember erhielt ich folgenden Screenshot:

Es begann eine Recherche. Auf der Seite von „Edgar B. Meister“ entdeckte ich das Original samt zugehörigem Beitragsbild. Es handelte sich um einen Post vom Tag zuvor.

Edgar B. Meister ist im wirklichen Leben Edgar Baumeister, ein in der rechten Szene gut vernetzter und seit Jahren bekannter Akteur. Vormals bei der rechtsextremen Partei „die Freiheit“ als Funktionär aktiv, schloss er sich nach deren Auflösung der AfD an, wie viele seiner ehemaligen Parteikollegen. Meist bleibt Herr Baumeister im Hintergrund, aber zu manchen Gelegenheiten wagt er sich dann doch an die Öffentlichkeit.

Interessant an Baumeisters Post sind mehrere Punkte:
1. Baumeister kündigte die Veranstaltung vor dem offiziellen Anmelder an.

  1. Baumeisters Ankündigung enthält eindeutig politische Bezüge, die der spätere Anmelder der Veranstaltung unter allen Umständen unerwähnt haben wollte. EinProzent/Bürgerbewegung HD
  2. Die Verbreitungsrate des Baumeister-Posts ist im Vergleich zur später erfolgten Ankündigung enorm hoch.
  3. Unter dem Post versorgte Baumeister Interessierte noch VOR der offiziellen Anmeldung der Veranstaltung intensiv mit Informationen zum Ablauf der Veranstaltung.
  4. Im Verlauf des Tages postete Baumeister einen Zwischenstand der späteren Einladung durch Marco Kurz, in der der Einladungstext noch IM Bild steht. Später wurde er aus dem Bild genommen und separat als Textbeitrag gepostet.

Es ist also davon auszugehen, dass Baumeister von Anfang an maßgeblich an der Planung und Durchführung der Veranstaltung in Kandel beteiligt war. Baumeister ist, um es noch einmal zu wiederholen: Mitglied der AfD und beteiligte sich bereits in der Vergangenheit an Parteiaktionen.

Marco Kurz fungierte später als „privater“ Anmelder, wie die Polizei und auch einige Medien berichteten. Eine Farce! Marco Kurz bemüht sich seit geraumer Zeit um das Projekt „Der Marsch 2017“, einer Aktion bei der eine Großdemonstration in Berlin auf die Beine gestellt werden soll (http://ka-gegen-rechts.de/mediencenter/der-marsch-2017/). Die Verbindungen von Marco Kurz in die rechte Szene sind alles andere als unauffällig und er ist alles andere als ein privat agierender Bürger.

An Kurz Veranstaltungseinladung ist – vom Standpunkt aus betrachtet, dass es sich um eine private Gedenkveranstaltung handeln solle – insbesondere ein Detail interessant: Er legt explizit Wert darauf, dass keine Kennzeichen irgendwelcher rechten Gruppierungen mitgeführt werden.
Es stellt sich die Frage: Wozu sollte sich ein privater Bürger, der nichts weiter möchte, als mit anderen Kandeler Bürgern – wobei Herr Kurz nicht aus Kandel ist – in stillem Gedenken seiner Trauer Ausdruck zu verleihen, einen solchen Hinweis benötigen?

Marco Kurz Aufruf wurde in der Folge geteilt. Auf einschlägigen Plattformen. Unter anderem auch von in der rechten Szene prominenten Akteuren, wie Imad Karim, jenem Werbeagentur-Inhaber, der bereits mit seiner Facebook-Gruppe „Deutschland mon Amour“ und der darin stattfindenden rechten Hetze so bekannt wurde, dass er es in eine Reportage über Fake News schaffte (http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Im-Netz-der-L%C3%BCgen-Der-Kampf-gegen-Fake/Das-Erste/Video?bcastId=799280&documentId=44858000). Ein weiterer Protagonist in diesem Film ist der AfD-Politiker und ehemals Direktkandidat für den Wahlkreis Heidelberg-Weinheim: Malte Kaufmann.
Dass sich just auf Malte Kaufmanns Profil ebenfalls die Einladung von Herrn Kurz findet – von Imad Karim geteilt – wäre allein noch nicht erstaunlich. Der spannende Punkt ist, mit wem Imad Karim zum Zeitpunkt der Teilung unterwegs war:

Imad Karim fand sich auch auf der „Gedenkveranstaltung“ ein und sonnte sich im Ruhm seiner Anhänger. Nach Zeugenaussagen waren auch Baumeister und natürlich Kurz anwesend. Dass Kaufmann nicht zugegen war, wird niemanden wundern, der den Herrn ein wenig kennt.

 

Man darf wohl sagen, ohne sich dabei eines Verdachtes der Verleumdung auszusetzen: Die Verbindungen sind evident und lassen den Schluss zu, dass die Kandeler „Gedenkfeier“ eine konzertierte Aktion war. Nicht von Kandeler Bürgern sondern von politischen Akteuren der rechten Szene in der Pfalz und im Rhein-Neckar-Raum. Dabei spielte – wieder einmal – die AfD eine prominente Rolle und suchte und fand Unterstützer aus dem sehr weit rechten Spektrum (siehe Schilderung der Ereignisse im Anhang an diesen Beitrag).

 

Und nun noch ein kleiner Nachtrag:

Die Identitäre Bewegung und die Empörung des Herrn Kurz
Die Identitären waren natürlich auch in Kandeln. Am Nachmittag des 2. Januar.

Sie waren aber wohl auch am Abend noch zugegen, denn es wurden Flyer der IB verteilt.

Marco Kurz nun, war in Heidelberg wiederum kürzlich der Beschwerdeführer beim Protest gegen die Entfernung von Kränzen, die nach einer von der IB arrangierten, nicht genehmigten Kranzniederlegung auf dem Ehrenfriedhof von der Stadt Heidelberg entsorgt wurden.

https://www.dermarsch2017.de/aktionen/korrespondenzen/

Man darf also wohl begründet davon sprechen, dass Herr Kurz aktiver Unterstützer der vom Verfassungsschutz beobachteten, rechtsextremen IB ist. Es wird niemanden wundern, wenn wir nun auch noch anfügen: An der IB-Aktion nahm wiederum die AfD teil. Diesmal in Gestalt von Stadträtin Anja Markmann, die es sich im Nachgang nicht nehmen ließ, ihre Empörung über die Entfernung der Kränze im Heidelberger Stadtblatt (der Zeitung, in der die Stadt Heidelberg und der Gemeinderat die Bürger über ihre Aktivitäten informiert) Ausdruck zu verleihen.

Wovon man auch noch sprechen könnte – aber da wird er grantig, der Herr Kurz – sind seine Bezüge in die Reichsbürgerszene. Eine Lokalzeitung, die „Rheinpfalz“, hatte diese in der Berichterstattung über Kandel erwähnt. Dafür möchte Herr Kurz die Zeitung nun verklagen. Es dürfte sicher interessant werden, was dabei rauskommt, wenn er das tatsächlich in die Tat umsetzt.

Nachdem man sich den Verlauf der Organisation der „Gedenkveranstaltung“ in Kandel betrachtet, und die Beteiligten und deren Vernetzung angeschaut hat, bleibt einem nichts weiter als den Kopf zu schütteln über die Berichterstattung überregionaler Medien (dpa, Welt, ZDF usw.) sowie über die Verlautbarungen der Polizei. Nein, das was in Kandel ablief war keine privat organisierte Trauer von Bürgern. Es mögen welche darunter gewesen sein, die die Bezüge nicht kannten oder sich über deren Tragweite nicht im Klaren sind. Insgesamt ist Kandel jedoch ein Fanal der rechten Szene. Eine groß angelegte Inszenierung bei der sich unterschiedlichste Gruppierungen einen Teil vom Propagandakuchen zu sichern versuchen. Demnächst kommt dann auch noch die NPD nach Kandel. Mit Trauer um eine junge Frau, die brutal ermordet wurde, hat das alles jedoch nur insofern zu tun, als dass das Mädchen instrumentalisiert wird. Dabei gibt es an Geschmacklosigkeit keine Grenzen. Den neuesten Coup des Herrn Kurz mag jeder, der es sich antun will, für sich selbst auf seiner Seite entdecken (https://www.facebook.com/StoppDemUnrecht/posts/374242499702938).

Wenn man sich fragt wofür rechte Aktivisten das alle inszenieren… NEIN, es geht dabei nicht um Deutschland. Es geht nicht um Sicherheit und nicht um die Bürger. Worum es am Ende geht, das ist:

Wir wünschen der Familie und allen Angehörigen und Freunden des getöteten Mädchens, dass sie nichts von alle dem mitbekommen. Dass sie Zeit haben, den Verlust zu begreifen und in ihrer Trauer in Ruhe gelassen werden. Dass ihnen wahre Freunde zur Seite stehen und sie vor all dem schützen, was derzeit rund um Kandel geschieht.
Wer wissen möchte, was in Kandel geschah und sich weder auf die reduzierte Berichterstattung in der Presse noch auf die Kampagne aus der rechten Szene verlassen möchte, schaue sich bitte folgenden Text an. Danke an „Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz“ für die Genehmigung den Text zu veröffentlichen.

Hier der bereits erwähnte Bericht über die Ereignisse während der „Gedenkveranstaltung“. Herzlichen Dank für die Genehmigung, den Text in diesen Bericht übernehmen zu dürfen. Ebenso bedanke ich mich bei Christian R. für die zur Verfügung gestellten Bilder.

 

Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz 

Unser kleiner Nachbericht und „kleine Richtigstellung“ zu den gestrigen Ereignissen in Kandel. Eigentlich sollte es ein kurzer Bericht werden. Wir entschuldigen uns schon jetzt, aber der Schock von dem gestern erlebten sitzt noch sehr tief und entsprechend wurde dieser Text dann doch etwas länger!

Seit dem tragischen Tod der 15jährigen Schülerin Mia, die von ihrem Ex-Freund vor dem DM- Markt in Kandel in Folge eines vorausgegangenen Streites erstochen wurde, versuchen Einzelpersonen, Bündnisse und auch Parteien, die rechts einzuordnen sind, dies für ihre eigenen politischen Zwecke zu nutzen und weiteren Fremdenhass zu schüren. Warum? Weil es sich beim Täter um einen minderjährigen unbegleiteten Flüchtling aus Afghanistan handelt und zudem noch die Frage nach seinem Alter aufgeworfen wurden. Diese Tat hat viele Fragen aufgeworfen, wie z.B., haben Behörden und Polizei versagt? Hat man eine gegebene Bedrohungslage nicht ernst genommen? Und so weiter. Es ist legitim diese Fragen zu stellen und es müssen dringend Antworten gefunden werden. Auch die Diskussion um Abschiebung von straffällig gewordenen Straftätern ist bis zu einem gewissen Punkt gerechtfertigt. Warum nur bis zu einem Gewissen Punkt? Weil man nicht alle Menschen pauschal aufgrund ihrer Herkunft über einen Kamm scheren und aburteilen kann. Es handelt sich immer um Einzelfälle, die individuell bewertet werden müssen. Niemand kann und darf einer gesamten Bevölkerungsgruppe einfach mal so ihre Menschenrechte aberkennen, nur weil sie zu dieser oder einer anderen Bevölkerungsgruppe dazugehören. Aber das hatten wir ja bereits schon in unserer Stellungnahme geschrieben.

Auch wir waren voller Trauer und Fassungslosigkeit angesichts der Tatsache, dass ein junges Mädchen, welches sein Leben noch vor sich hatte, so brutal aus dem Leben gerissen wurde. Auch wir haben uns oben genannten Fragen gestellt. Aber mit zunehmender politischer Instrumentalisierung kamen zur Trauer und Fassungslosigkeit über diesen sinnlosen Tod auch Wut und Fassungslosigkeit über die Dreistigkeit und Widerwärtigkeit bestimmter Akteure der rechten Szene und Abgeordneter der AfD hinzu. Plötzlich war von Rassenschände die Rede, den Eltern wurde in einem Ekelhaften Facebookposting eines AfD- Abgeordneten die Schuld an der Ermordung ihrer Tochter gegeben, weil sie die Beziehung geduldet haben. Fassungslosigkeit! Wie muss es den Eltern in so einem Moment gehen! Dann tobte plötzlich ein Lynchmob, nein das war kein Shitstorm mehr (!), auf der Facebookseite des Verbandbürgermeisters, weil er zur Besonnenheit gemahnt und vor fremdenfeindlichen Vorverurteilungen gewarnt hat. In fast keiner Diskussion ging es um die Tat, das Mädchen, ihre Familie und Angehörige, nur um die bösen Flüchtlinge, Islamisierung, Umvolkung und Rassenschande.
Dann erfuhren wir zwei Tage vor Jahreswechsel, dass ein Edgar Baumeister (HD), eine von der Bewegung „1 % für unser Land“ (1% wird als NGO der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung Österreich gesehen) organisierte Trauerkundgebung für den 02.01.18 um 18Uhr in Kandel angekündigt hat. Diese Trauerkundgebung wurde dann von Marco Kurz angemeldet. Die Medien berichten die Anmeldung wäre durch eine Privatperson erfolgt, jedoch gehört diese Privatperson zur rechten Bürgerbewegung Der Marsch 2017, mit Vernetzungen, die bis hinein in rechtsradikale, völkisch- nationalistische Kreise reichen. Genaue Informationen zu „1%“ und „Der Marsch 2017“, ihre Vernetzung in die rechtsradikale Szene, ihre Ziele und Aktionen könnt ihr den in den Kommentaren stehenden Links entnehmen. Eine interessante und aufschlussreiche Lektüre!

Aufgrund der Vorgeschichte zweifelten wir die offiziell angegebene Intention (Trauer) für diese Trauerkundgebung an. Wir entschieden uns bewusst aus Pietät und Respekt von jeglicher Form einer Gegenaktion Abstand zu nehmen. Keine politische Instrumentalisierung dieser Bluttat! Trauer, Respekt und Mitgefühl stehen für uns in solchen Situationen im Vordergrund. Einen Tag vor der Trauerveranstaltung von „Der Marsch 2017“ und „1% Prozent für unser Land“ erreichte uns die Nachricht, dass einzelne mutige Kandeler Bürger den Ort des Geschehens und diese Tat nicht der politischen Instrumentalisierung durch Rechts überlassen wollen. Nach intensiver Diskussion entschieden sich einige von uns doch am 02.01 nach Kandel zu fahren, mit den Kandeler gemeinsam zu trauern und sie bei dem Versuch einen weltoffenen Gegenpol zu bilden, zu unterstützen. In Kandel angekommen, konnten wir beobachten wie die Teilnehmer der „Trauerveranstaltung“ anreisten, sich auf die vielen umliegenden Parkplätze verteilten. Vollgepackte Autos mit Kennzeichen aus Kirchheim- Bolanden, Homburg, Pirmasens, Stuttgart, Raststatt, Pforzheim, Weinheim, Frankfurt etc.,kamen nach und nach an. Bevor sich die Teilnehmer an den Ort des Geschehens begaben wurde Sprechverbot verordnet: „Keiner redet mit der Presse! Kein Kommentar“, war häufig zu hören. Wir begaben uns an den DM-Markt wo die Trauerkundgebung stattfinden sollten. Dort waren schon prominente Gesichter aus der rechten Szene zu sehen, wie Michael Stecher oder Imad Karim (Infos zu den prominenten Gesichtern siehe Link unten). Auch Hooligans aus der Kaiserslauterer Hooliganszene und so einige bekannte Gesichter der Berserker Pforzheim waren vor Ort, Personen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung, vom 3. Weg, Karlsruhe wehrt sich, NPD und AfD. Anscheinend floss auch einiges an Alkohol bei dieser Trauerveranstaltung, von den Bierdosen in den Händen und auf dem Boden ausgehend. Wir trafen auf die kleine Gruppe Kandeler Frauen und Männer jeder Altersklasse und mehrere jugendliche Schüler, die versuchten mit Kerzen und bunten Regenschirmen zu trauern und bei aller Trauer ein Zeichen gegen den Hass zu setzen. Wir stellten uns gemeinsam und still an den Rand, mit einem mulmigen Gefühl im Bauch und voller Trauer und Fassungslosigkeit. Bereits hier im Vorfeld schlug uns schon Hass entgegen: „Gutmenschenpack“, ,,Feiglinge“ … Wir ignorierten die Provokationen und blieben für uns abseits an der Seite der Kandeler stehen. Irgendwann setzte sich die Trauerveranstaltung in Bewegung, zu einem Gedenkmarsch in die Innenstadt wie uns gesagt wurde. Erleichtert begaben wir uns an den Ort des Gedenkens wo wir Kerzen abstellten und versuchten Mia zu gedenken. Immer noch beobachtet und umrundet von vereinzelten und nicht sehr vertrauensvoll wirkenden Menschen.

Dann kam der Marsch zurück an den DM Markt. Wir konnten in Rücksprache mit der anwesenden Polizei stehen bleiben wo wir waren. Einzelne Marschteilnehmer kamen und stellten ihre Kerzen ab, legten Blumen hin und verharrten kurz. Im Gegensatz zu den kursierenden Behauptungen hat niemand in unserer Gruppe die Teilnehmer daran gehindert an den Patz des Gedenkens zu gehen. Schnell war der Platz wieder voll und die Stimmung schlug um. Von den Polizeikräften wurde eine Kette zu unserem Schutz gebildet. Immer noch nicht, wie auch im weiteren Verlauf wurden die Teilnehmer durch unsere kleine Gruppe am Zugang gehindert. Das Kerzenmeer war jederzeit von allen Seiten zugänglich, wir traten zur Seite, bildeten Gassen. Trotzdem wurden wir angerempelt, beschimpft, beleidigt zur Seite gestoßen. „Kommunistenschweine“, „Rotfaschisten“, „Ausländerschlampe“, „Volksverräter“, „Vaterlandsverräter“, „ihr Wichser“, „ihr Arschlöcher“, „Eine Schande“, „feiges Pack“ schallte uns entgegen, ebenso wie die Aufforderung an die unter uns anwesenden Frauen doch „die Beine breit zu machen“ und die Drohung man würde uns „an die Wand stellen und erschießen“. Wir hatten den Eindruck besonders die jugendlichen Schüler, vor die wir Erwachsene uns gestellt hatten, als die Stimmung umschlug, waren ein beliebtes Ziel für die verbalen Angriffe und Provokationen. Ihnen wurde Vaterlandsverrat vorgeworfen und mit ihrer Einstellung Schuld daran zu sein, dass Deutschland untergeht. Die Verbalattacken und Rempeleien arteten schnell zu körperlichen Übergriffen aus. Den Frauen, die die Schirme z.T. in dem Versuch ihr Gesicht vor den vielen Kameras, die uns plötzlich vors Gesicht gehalten wurden, damit man unsere Gesichter kennt und uns eines Tages zur Rechenschaft ziehen könne (!), zu schützen, absenkten, wurden die Schirme aus der Hand gerissen. Wir befanden uns plötzlich mitten in einem wütenden Mob wieder. Nein, das war keine Rangelei, wie von den Medien berichtet, das war ein Angriff bei dem glücklicherweise keiner verletzt wurde. Die Polizei versuchte dazwischen zu gehen und uns zu schützen. Die Jugendlichen wurden dann schnell zu ihrem eigenen Schutz von wenigen Polizeikräften herausgezogen und durch diesen Mob unter johlen und Applaus der Trauermarschteilnehmer vom Ort des Geschehens wegbegleitet. Nein, es gab keinen Platzverweis! Wir hatten den Eindruck, dass die Polizei mit der Situation überfordert und auch unterbesetzt war. Auch hatten wir den Eindruck, die Trauermarschteilnehmer waren durch die Zurückhaltung der Polizei und deren nicht erfolgtes Einschreiten bei den ersten Beleidigungen und Rempeleien noch zusätzlich beflügelt. Sie versuchten uns mit einer Polizeikette vor dem Mob zu schützen, der inzwischen die üblichen Parolen skandierte. „Volksverräter“, „Haut ab“, „Wir sind das Volk“, „Jeder hasst die Antifa“, „Schämt Euch“, „Mörder“, „Ihr seid mitschuldig“, „An Euren Fingern klebt Mias Blut“ schallte es auf dem Parkplatz vor dem DM- Markt. Auch die anwesenden Menschen, die wir der bürgerlichen Mitte zugeordnet hatten applaudierten und skandierten zum Teil mit. Das war nicht nur unser Problem, sondern auch das der Polizei. Niemand wusste mehr wer zu wem gehört, wer unbeteiligter Bürger ist, wer zu den rechten Trauermarschteilnehmern gehört, wer zu unserer kleinen spontanen Mahnwache gehört. Auch die Polizei wurde massiv angegangen. Es war u.a. zu hören die Polizisten hätten keine Eier, weil sie uns schützen anstatt uns den Gar aus zu machen. Für uns gab es in dem Moment keinen sicheren Weg mehr nach draußen, also blieben wir geschützt von der Polizei stehen wo wir waren, blieben still und ließen die Sprechchöre, Schmähungen und Provokationen über uns ergehen und versuchten sie zu ignorieren. Ein letzter Versuch von uns eines würdigen Gedenkens. Es gingen von uns keinerlei Provokationen aus, noch wurde auf die Provokationen der anderen reagiert. Wir versuchten das zu tun, wegen dem wir gekommen waren, ein würdiges Gedenken ohne politische Instrumentalisierungen und den Kandeler Bürgern zur Seite zu stehen. Die Situation wurde von jedem von uns, ab dem Moment wo die bürgerlichen Masken fielen und die wahren hässlichen Fratzen des Fremdenhasses, des Hass auf Andersdenkende und nationalistischer Gesinnung zum Vorschein kamen, oder auch nur die Lust an Provokation und Gewalt, als extrem bedrohlich und beängstigend empfunden. In Kandel herrschte eine Pogromstimmung wie sie noch niemand von uns zuvor erlebt hatte.

Schließlich wurde von dem Trauermarsch dann die deutsche Nationalhymne angestimmt und die Versammlung löste sich Gott sei Dank nach und nach auf. Nachdem fast alle Teilnehmer weg waren, war auch für uns endlich der Weg frei. Da jedoch die Gefahr bestand, dass einzelne Gruppen (insbesondere der anwesenden Hooligans) in Kandel versprengt sind und uns auflauern könnten, wurden wir unter Geleitschutz der Polizei an unsere jeweiligen Autos bzw. zum Zug an den Bahnhof gebracht.

Im Nachhinein wurde uns berichtet, dass der Trauermarsch eine Abschlusskundgebung am Kandeler Christkindelmarkt abhielt, wo „Merkel muss weg“ skandiert wurden und Rufe nach dem Bürgermeister und wo dieser wohne, und auch wo die Kirche sei laut wurden. Nach dem was auf dessen Facebookseite ein paar Tage zuvor passiert war, wollen wir uns gar nicht ausmalen aus welchem Grund nach ihm gerufen wurde oder was passiert wäre hätte es eine Antwort auf die Frage nach dessen Wohnort gegeben.
Wir fragen uns was hat das Anstimmen der deutschen Nationalhymne, Merkel muss weg- und Volksverräterrufe mit einer Trauerveranstaltung für ein ermordetes 15jähriges Mädchen zu suchen? Was hat politische Gesinnung/ politische Gegnerschaft mit der Trauer um ein viel zu früh auf tragische Art und Weise aus dem Leben gerissenen Mädchen zu tun? Nach allem was wir erlebt, gesehen und gehört haben, erlauben wir uns die Beurteilung, dass es bei diesem Trauermarsch im Großen und Ganzen nie um ein Gedenken an die tote Mia ging, sondern darum den eigenen Fremdenhass kundzutun und in die bürgerliche Mitte hineinzutragen. Hier wurde ein emotionales Thema, eine schreckliche Tat, ein viel zu früher und sinnloser Tod missbraucht, um Sachlichkeit, soweit hier überhaupt möglich, und Menschlichkeit auf die Seite zu fegen und für eigene politische Ziele und Ideologien Stimmung zu machen. Unser Mitgefühl ist bei den Angehörigen und Freunden von Mia, die mit ansehen müssen wie Mias Tod so niveaulos missbraucht wird, denen vorgeworfen wird sie wären Schuld daran, dass Mia sterben musste.

One thought on “Rechte Szenen

  1. Da ich kurzentschlossen auf Einladung einer Freundin als „normaler“ Bürger an dieser Demonstration teilnahm, hier aus meiner Sicht einige Punkte, für diejenigen, die dies alles ideologiefrei betrachten können. Ich stand nach Ende des Zuges durch die Innenstadt am linken Flügel, also nicht da, wo die „Fronten“ unmittelbar aufeinanderprallten. Ich wunderte mich über die bunten Schirme und fragte erstmal, was die zu bedeuten hätten. Schliesslich sollten keine Plakate mitgeführt werden. Als dann auch mir klar wurde, dass es sich hier um eine Gegendemonstration handelte, war auch ich erstmal fassungslos. Ich bin es gewohnt, die Regeln des Gastgebers zu beachten, wenn ich mich irgendwo hinbegebe, sei es eine Feier, ein Stadionbesuch, eine sonstige private Einladung. Hier wurde meiner Ansicht nach dagegen verstoßen. Ich kam nicht in der Absicht, irgendwelche politischen Parolen zu verbreiten oder zu unterstützen. Ich kam deswegen zu meiner ersten Demo, und das im Alter von 55 Jahren, weil zuvor bereits die politischen Wortführer und sogar Geistliche diesen Mord versuchten, politisch auszuschlachten und damit, und das ist meine Meinung dazu, Menschen wie mich, die unkontrollierter Einwanderung junger, perspektivloser, z.T. vorher schon hochkrimineller Männer, kritisch und zunehmend ablehnend gegenüber stehen und seit 2015 dafür von manchen Zeitgenossen, selbst engen Freunden, als Nazi bezeichnet werden oder Verschwörungstheoretiker, oder was auch sonst. Die Buntschirmträger drückten hier eine politische Meinung aus und verstiessen somit gegen die Regeln des Gastgebers. Dies damit zu begründen, dass es zeitweise regnete, ist lächerlich. Niemand sonst trug einen geöffneten Regenschirm. Dass dies dann zu den „Haut ab“- und sonstigen Parolen provozierte, war aus meiner Sicht vorhersehbar und aus meiner Sicht war es auch legitim, diese Gegendemonstranten dazu zu bewegen, ihre Schirme einzuklappen, auch wenn dies dann zu Handgreiflichkeiten führte. Die Polizei hielt sich im wesentlichen raus und aus meiner Sicht tat sie dabei genau das Richtige. Sie schützte den Abzug derer, die gehen wollten und diese flüchteten dann hauptsächlich über die linke Seite. Soweit ich das beobachten konnte, wurden dabei die Schüler weder bedroht noch verbal angegangen, die Erwachsenen dagegen zum Teil verbal und auch heftig, jedoch nicht durch irgendwelche radikalen Hooligans oder Bomberjackenträger, sondern von „normalen“ Bürgern, die fassungslos über deren Auftreten waren. Hass und Verachtung konnte ich persönlich nur in den Gesichtern der Buntschirmträger erkennen. Ein älterer Mann mit Buntschirm, der sich an der Hauswand des dm-Marktes befand, wurde nicht angegriffen, obwohl er seinen Schirm nicht einklappte, sich aber auch nicht aktiv zwischen Kerzenmeer und Demonstranten stellte. Mein Fazit daher: Der Auftritt der Buntschirmträger war als Provokation gedacht, nicht als Trauerbekundung, und einige Demonstrationsteilnehmer liessen sich dadurch tatsächlich provozieren. Die Polizei blieb weitestgehend neutral und beschränkte sich darauf, denjenigen den gefahrfreien Abzug zu ermöglichen, die gehen wollten. Eine weitere Beobachtung, die ich machte: Es bewegten sich sowohl Flüchtlinge, als auch andere Menschen mit Migrationshintergrund vor dem offiziellen Beginn der Demonstration in dem Bereich. Es wurde keiner von denen, weder verbal, noch durch abschätzige Blicke, noch durch Handgreiflichkeiten bedrängt. Die Aggressionen begannen erst mit der Mauer der Buntschirmträger bei der Rückkehr des Demonstrationszuges. Nun liegt es an Ihnen, ob Sie kritische Kommentare zu Ihren Ausführungen zulassen und meinen Kommentar hier veröffentlichen.

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