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DIE SÜDSEITE

Schloss, Alte Brücke, Philosophenweg war gestern

Speyer, 6. September 2018

Ich besuche einen Vortrag, veranstaltet vom Forum Katholische Akademie in Kooperation mit dem Caritasverband für die Diözese Speyer e. V., Projekt „Zusammenhalt durch Teilhabe – Gelebte Demokratie“, der soll um 19.30 Uhr starten.

Rednerin ist Liane Bednarz, das Thema der Veranstaltung lautet „Die Angstprediger – Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern“, Frau Bednarz hat ein Buch mit dem Titel „Die Angstprediger“ im Frühjahr dieses Jahres veröffentlicht und gilt als Sachverständige zum Thema Rechtspopulismus.

Das sind die „technischen“ Rahmenbedingungen.

Die optischen sind der Speyrer Dom in all seiner Pracht (ein wenig gedimmt durch ein paar Gerüste, aber so ist das an solchen Bauwerken fast immer), das Wetter ist, als ich um kurz vor 19.00 Uhr ankomme noch einigermaßen gut, es sind aber schwere Gewitter für die Region angesagt und man sieht auch schon am Himmel, dass sich was zusammenbraut. Die Veranstaltung findet in einem historischen Gebäude, dem Friedrich-Spee-Haus, fast direkt neben dem Dom statt. Sehr gediegen ist das alles und es ist wenig, ganz wenig, los auf dem Domplatz und im Park rund um den Dom.

Ich sitze draußen ein wenig auf einem Mäuerchen, rauche ein Zigarette und schaue, ob sich jemand einfindet, dem die Veranstaltung nicht passt, aber es ist weit und breit nichts zu sehen, also gehe ich ziemlich pünktlich um 19.00 Uhr in die Veranstaltungsräume. Ich bin gern etwas früher da, das mache ich immer so. Es ist oft ganz interessant was man vor und nach Veranstaltungen sieht, wenn man sich die Zeit nimmt.

Am Vortag habe ich mich per E-Mail für die Veranstaltung angemeldet, habe auch eine Rückantwort erhalten, dass noch Plätze frei seien und ich gern teilnehmen könne. Auf die Gästeliste habe ich es aber offenbar nicht geschafft. Macht nichts, ich darf trotzdem rein, nachdem ich den Eintrittspreis von 5 Euro bezahlt habe.

Da ich freie und völlige Platzwahl habe, suche ich mir einen Stuhl am geöffneten Fenster ganz rechts außen in der zweiten Reihe von vorne aus. Wenig später kommt ein Polizist, unterhält sich mit den Veranstaltern über mögliche Störungen, aber eigentlich erwartet die niemand. Ich auch nicht, um ehrlich zu sein. Auch wenn im Vorfeld Malte Kaufmann vor einigen Wochen einen recht empörten Beitrag auf seiner Facebookseite veröffentlicht hat, in der seine Fanbase in gewohnt ungepflegter Weise über die Kirche (egal ob katholisch oder evangelisch), Bednarz und den ganzen linksversifften Lügenstaat abgerantet hat, wurden nicht zeitnah – zumindest nicht öffentlich – Störungen angeregt.

Das Interieur des Saales ist genauso gediegen wie die Fassade. Taubenblaue Wände, altweiße Vertäfelungen, hellbraune Vorhänge, heller Parkettboden mit dezenten Intarsien, viel Messing an den Kron- und Wandleuchtern. Die Bestuhlung ist stapelbarer 90er Tu-Dir-nicht-weh-Buchenholz-Stil mit blauen Stoffbezügen und es gibt zwischen den Reihen angenehm viel Beinfreiheit.
Es wird eine Präsentation geben, der Beamer ist an, an der Wand leuchtet der Windows-Sartscreen.

Nach und nach kommen die Besucher. Auf der Liste beim Eintritt habe ich geschätzt ca. 30 Namen gesehen. Insgesamt hat der Saal ca. für 60 Leute Platz, er füllt sich bis zum Vortragsbeginn ganz ordentlich, auch wenn ein paar Stühle frei bleiben.

Das Publikum ist – erwartungsgemäß für den Veranstaltungsrahmen – ebenfalls gediegen. Das Durchschnittsalter 50+. Viele scheinen sich zu kennen.

Vor mir in der ersten Reihe nehmen adrette Damen Platz, Perlenketten, schicke Frisuren, wir nicken uns lächelnd zu. Ich kritzle Notizen in mein Notizbuch, ich will ja später vielleicht was schreiben – das hier zum Beispiel.

Was erwarte ich mir von diesem Vortrag? Warum bin ich da?
Naja, ich bin die Admina des Portals AfD WATCH Heidelberg und wie oben geschildert, besteht eine moderate Chance, dass sich von lokaler AfD-Seite jemand bei dieser Veranstaltung blicken lässt. Außerdem beschäftigt sich Frau Bednarz mit dem gleichen Thema wie meine Seite, auch wenn ich nicht erwarte, dass ich im Vortrag Neues erfahren werde (dazu bin ich schon zu lange selbst mit der AfD beschäftigt). Was mich aber interessiert ist, wie die Zuschauer die Infos bewerten, die sie präsentiert bekommen.

Das Buch von Frau Bednarz habe ich nicht gelesen. Auf dem Büchertisch vor dem Saal könnte ich eines erwerben. Ich bin mir nicht sicher. Eigentlich denke ich nicht, aber vielleicht überzeugt mich der Vortrag, dann mache ich es vielleicht nachher doch. Weiß noch nicht.

Mein Verhältnis zu Frau Bednarz ist – milde ausgedrückt – schwierig. Das ist nicht nur eine theoretische Aussage. Im virtuellen Raum von facebook kommt es immer mal wieder zu Wortgefechten zwischen ihr und einigen anderen Menschen, eine dieser Personen bin ich.

An diesem Abend gäbe es im Nachgang der Veranstaltung vielleicht die Möglichkeit, sich auch einmal persönlich kennenzulernen, wenigstens kurz. Auch deshalb bin ich da. Nicht mit dem festen Vorsatz mit ihr zu sprechen, aber ich halte es (noch) nicht für ausgeschlossen, dass ich zumindest mal „Hallo“ sagen werde. Ich bin auch gekommen, weil ich mir Frau Bednarz mal live anschauen möchte, um einen Eindruck von der Persönlichkeit zu bekommen, mit der ich schon oft virtuell gestritten habe. Mal sehen.

Ein paar Minuten vor Veranstaltungsbeginn ist sie dann da. Es geht nicht ganz pünktlich los, denn wie das immer so ist, bei Vorträgen mit Technik, muss erst der angeschlossene Rechner weg, der von Frau Bednarz dran, an den Beamer, dann geht das Geeier los das ich auch selbst kenne: Wo ist das Bild? Ah, da isses ja endlich. Gut.

Einleitende Worte einer Dame von „Zusammenhalt durch Teilhabe – Gelebte Demokratie“, Vorstellung der Rednerin, Credentials, Übergabe an Frau Bednarz, Danksagung an die nette Moderatorin, dann geht’s los.

Überblick über die Struktur des Buches und also auch des folgenden Vortrages. Klärung des Begriffes „Rechts“ in Abgrenzung zu „Konservativ“. Frau Bednarz ist konservativ. Das ist ganz wichtig zu wissen. Sie sagt: „Ich bin nicht links! Das Buch ist ausdrücklich NICHT aus einer linken Perspektive geschrieben.“ Und sie sagt auch, dass ihre Auslegung dessen, was konservativ sei entsprechend großzügig ausfällt. Rechts ist alles, was das konservative Denken sprengt, dahinter kommt dann rechts, rechtsradikal und ganz weit außen und gefährlich: rechtsextrem. Man solle immer aufpassen, dass man in Diskussionen niemanden all zu früh rechtsextremistisch nenne, das kann ggf. juristische Folgen haben.

Es gibt einen kleinen Ausflug zu den national-völkischen Denkern der Zwischenkriegszeit, Schmidt, Spengler, usw. Nicht alle – sogar sehr wenige – seien später Nazis gewesen, aber sie haben halt Denkschablonen geliefert, derer sich die Nazis dann bedienten und seien auch die Vorleger der sogenannten Neuen Rechten.

Rechts zu sein, sei nach dem zweiten Weltkrieg verbrannt gewesen, erzählt Frau Bednarz. Dass sich das durchaus radikale Rechte Denken ins Konservative Milieu integrierte, führt sie nicht so genau aus. Mohler erwähnt sie, dass er Berater von Strauß gewesen ist, aber nur kurz – sagt sie – weil er dem Harcore-Konservativen Strauß zu arg gewesen sein.

… ich denkt mir: Naja, das ist halt die „konservative“ Sichtweise.

Wir lernen ein wenig über die Nouvelle Droit, Benoist usw. und kommen zu Kubitschek, dem derzeitigen radikalen deutschen Meinungsbildner der Rechten.

Frau Bednarz führt länger aus, warum die Junge Freiheit ein christliches Selbstverständnis hat und nur irgendwie ein rechtes Medium ist. Weißmann kommt vor. Es geht um christliche Symbolik in der Selbstinszenierung von Kubitschek und Kositza. Der Ton zum Film ist nicht an die Soundanlage angeschlossen, deshalb gibt’s da zunächst mal ein wenig Geeier und eine Rückkopplung im Lautsprecher, der ziemlich nah bei mir steht und mir ein taubes Gefühl im rechten Ohr beschert, bis man improvisiert und das Mikro an den Lautsprecher des Rechners hält, das geht so.

Es geht dann um die Verfalls- und Untergangsrethorik der Rechtspopulisten, um konservative Kirchenleute (ich würde sie zumindest in Teilen reaktionär nennen), die von den Rechten (die normalen und die radikalen) angegriffen und als zu liberal und links verschrien, mit Shitstorms überzogen werden, wenn sie sich Flüchtlingsfreundlich oder nicht komplett Homophob zeigen.

Es ist alles ein wenig vage und ich find’s auch etwas unstrukturiert. Ob die Zuhörer dem folgen können, ob sie Zusammenhänge sehen? Ob sie aus dem Vortrag mehr mitnehmen, als einen Eindruck…? Ich weiß es nicht, aber vielleicht kaufen sie nachher ja das Buch – ich überlege kurz, ob ich es nachher doch mitnehmen soll? – und lesen es tatsächlich, dann können sie die Infos möglicherweise argumentativ nutzen, falls sie das müssen oder wollen.

Aber wozu eigentlich? Um sich mit Rechten auseinanderzusetzen, ja klar. Aber zu welchem Zweck? Frau Bednarz hängt der Idee an, man könne noch nicht ganz abgedriftete Konservative auf den sicheren Boden konservativer Politik zurückholen und sie bemüht sich – meinem Verständnis nach – darum, das Konservative zu definieren, so dass es sich abgrenzt gegen das Rechte. Ich finde nicht, dass ihr das schlüssig gelingt. Zumindest aus meiner Perspektive, die ja aber links ist. Linksextrem um genauer zu sein. Zumindest nach Definition von Frau Bednarz und Freunden aus dem virtuellen Raum, die bei aller Vorsicht und Warnung an ihre Zuhöhrer, man möge mit dem „extrem“ extrem vorsichtig umgehen, die Notwendigkeit zur Differenzierung nicht verspüren, wenn’s um irgendwas mit Links geht.

Kleiner Einschub, damit’s keine Mißverständnisse gibt: Natürlich bin ich NICHT linksextrem. Ich bin sogar vergleichsweise extrem wenig links. Kürzlich gab’s einen Test auf facebook, den viele machten, die sich oft mit Frau Bednarz streiten. Darunter ist ein Ex-Bundestagsabgeordneter der CDU, der im Test linker ist als ich und ein Anwalt, der ist ungefähr so links wie ich, aber viel liberaler. Was ich bin – aber das ist eine Achse, die solche Umfragen nicht beinhalten – ist halt sehr streitbar, oft sarkastisch, ironisch und gern auch polemisch. Aber das sind rethorische und charakterliche Eigenarten, die man mögen oder ablehnen kann. Für eine politische Verortung, gar eine als Extremist, taugt das alles nicht.

Aber weiter mit der Veranstaltung: Nach eineinhalb Stunden ist der Vortrag zu Ende und es können Fragen gestellt werden.

Die erste lautet in etwa: Frau Bednarz habe sich ja nun mit der rechtsextremen (!) Unterwanderung der christlichen Kirchen beschäftigt, aber habe sie denn auch die linksextreme analysiert und könne dazu was sagen.

Nein. Kann sie nicht, weil die Frage kompletter Blödsinn ist, denke ich mir (weil extrem Linke eher Atheisten sind und sich nicht in die Kirchen und Klöster einschleichen um sie zu linksversiffen. Weil das „Gutmenschliche“ in der Kirche von allein durch das Verständnis der christlichen Botschaft entsteht). Aber vielleicht bin ich einfach nicht linksextrem genug, um was dazu zu wissen, also schaue ich mal, was die Fachfrau sagt. Die sagt, dass sie auf facebook gemobbt wird von „der Antifa“, die sei zwar gar keine wirklich fassbare Organisation und ausgesprochen vielschichtig aber eben AUCH (Verweis auf G20) extem in Teilen. Was das jetzt mit der Frage zu tun hat? Keine Ahnung. Aber auf jeden Fall erfahren wir, dass Frau Bednarz schwer unter facebook-Mobbing zu leiden hat wegen „der Antifa“, und dass in Chemnitz auf der Bühne „Alerta Alerta Antifascista!“ gesagt worden ist und das ja wohl alles sagt und die die Antifa’s oder deren Verteidiger, die sie auf facebook so angehen, die würden das negieren, dass es in der Antifa gewaltbereite Extreme gäbe.
Ich rutsche ein bisschen auf meinem Stuhl rum, weil in mir das antiautoritäre Beast die Zähne fletscht und die Krallen ausfährt, weil es Lügen nicht leiden kann, aber ich hab’s im Griff.

Und auf einmal passiert’s: Ein Herr in gesetzem Alter erhebt sich, stattliche Erscheinung, Karohemd. Und er hat das Mikrofon und sagt, dass er jetzt aber schon mal eine Lanze für die Antifa brechen müsse und das Bashing nicht angebracht sei und man nicht alles in einen Topf werfen dürfe und man das Engagement der vielen Antifaschisten ohne jegliches Molotow-Potenzial anerkennen und würdigen müsse und nicht dauernd auf alle in Bausch und Bogen draufhauen!

Zwei Leute im Saal klatschen und sagen „Danke“. Eine davon bin ich. Aber auch insgesamt nimmt der Saal diese Rede nicht negativ auf.

Frau Bednarz sagt irgendwas von „ja, sie habe gesagt, das sei nur ein Teil, aber den gäb’s halt eben…“,

Dann hat das Mikro jemand anders und weiter geht’s mit Fragen. Zu autoritären/rechten Entwicklungen in der polnischen Kirche, zu Homosexualität… dann ist die Zeit um.

Danksagung für das Interesse, draußen Büchertisch…

Alle stehen auf, ein paar Leute gehen raus um sich die Werke anzusehen, andere stellen sich an, um ein paar Worte mit den Veranstaltern oder Frau Bednarz zu wechseln.

Ich packe meine Sachen ein, ziehe den Mantel an und schaue skeptisch rüber zu Frau Bednarz, die auch ihre Sachen aufräumt.

Was würde passieren, wenn ich sie jetzt anspräche? Wenn ich mich vorstellen würde, mit meinem Namen? Nein, entscheide ich, das mache ich nicht. Sie könnte sich bedrängt fühlen. Könnte die Situation so interpretieren, dass sie verfolgt wird… das lass ich mal besser.

Ich will außerdem eine rauchen und dann waren da noch die Stimmen von draußen, die irgendwann im letzten Drittel des Vortrags durch die geöffneten Fenster schallten. Zwei oder drei Leute vielleicht. Irgendwelches Gegröle. Es könnten Störer gewesen sein, die sich verspätet eingefunden hatten oder einfach ein paar alkoholisierte Deppen. Man konnte nichts verstehen und die Veranstalter machten halt die Fenster zu, dann war wieder Ruhe. In der Zwischenzeit regnet es recht ordentlich und ich gehe nicht davon aus, dass es noch was zu sehen gibt.

So ist es dann auch. Ich schlendere also am Dom vorbei und fotografiere den leeren Domplatz, dann gehe rum um den Dom, durch den Park und zum Parkplatz, um heim zu fahren (was im heftigen Gewitter der spannendste Teil des Abends wurde).

PS: Dr. Malte Kaufmann hat sie auch kurz erwähnt, seine Aufregung über die Veranstaltung und dass er sich selbst als konservativen Christen sieht und mal in der CDU war… dass er Evangelikaler ist, dem Kreationismus anhängt, einer derjenigen ist, die massiv Wähleraquise in evangelikalen Kreisen und bei Russlanddeutschen, die sich gerne evangelikalen Kirchen anschließen betreibt und noch so ein paar Details mehr… naja, darum kümmer dann halt ich mich, dass das nicht vergessen wird.

 

 

 

 

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