Die Konservenheimat der Konservatoren
Warum ist die AfD die neue Heimat der Konservativen? Das wollte ich gestern erfahren und habe mich deshalb in eine Veranstaltung der AfD Heidelberg gesetzt, die laut Plakat genau diese Frage beantworten sollte. Hauptredner waren Malte Kaufmann und Nicolaus Fest. Der eine ein Ex-CDUler, dessen Hauptverkaufsargument für sich als AfDe im Wahlkampf seine 14 Jahren Parteizugehörigkeit zur CDU sind, der andere ein freischaffender Publizist (wie so viele in dieser Partei Publizisten sind, wenn sie mal einen festen Job hatten und jetzt vor sich hin krebsen, bis sie sich vom Steuerzahler subventionieren lassen können) und Ex-Vize-Chef der Bild am Sonntag. Eins vorne weg: Eine Antwort gab es nicht. Wohl aber einen Eindruck davon, was die AfD unter „konservativ“ versteht oder auch nicht. Und das ist äußerst interessant, weil es mit dem Selbstverständnis einer CDU nur in kleinen Teilen kompatibel ist und den einen oder anderen AfD-Anhänger verunsichern würde, wenn er denn bereit wäre mal zuzuhören und hinzuschauen.
Aber von Anfang an: Vor Beginn der ganzen Chose besuchten einige Schaulustige AfD-Anhänger die kleine Gegendemo, die sich versammelt hatte und bei der ich mich ebenfalls aufhielt und mit Freunden sprach. Es ergab sich auch das eine oder andere Gespräch zwischen Gegnern und AfDen. Inzwischen kennt man sich ja teilweise, wenngleich das Verhältnis nicht grade als herzlich bezeichnet werden kann.
Die Gelegenheit nutzte ich dann schon mal, um verschiedenen Leuten eine Frage zu stellen, die mich brennend interessierte: Was sagen AfD-Freunde zu Gaulands Äußerungen zur Heldenverehrung für die deutsche Wehrmacht? Drei Leute habe ich gefragt und dreimal eine sehr ähnlich lautende Antwort erhalten: Gauland habe doch im Grunde Recht, aber man könne die Gesamtpartei nicht an den Aussagen Einzelner messen (das ist die bekannte Standardausrede für eigentlich alles). Sowas würde immer auf die Goldwaage gelegt, aber Einzelne sprächen ja nicht für die ganze AfD. Als ich dann einwandte, dass es ja nicht um die Aussage eines Ortsvorsitzenden aus Hinterhuglhaglfing ginge, sondern um eine Äußerung von einem der beiden Spitzenkandidaten der AfD und dass man ja wohl schon annehmen könne, dass ein Spitzenkandidat die in der Partei herrschende Grundmeinung zum Besten gebe, da wussten zwei nicht weiter und wollten lieber über was anderes reden und einer meinte, ich sei doch krank. Zusammenfassend kann man als Ergebnis dieser Kurzumfrage also konstatieren: kein Problembewusstsein vorhanden.
AfD-Listenkandidat auf Platz 13, Prof. Dr. Jens W. Zeller schnorrte sich gleich darauf eine Zigarette von mir (!?!) und wenig später machte ich mich auf den Weg in die Halle. Vorab hatte ich mit Matthias Niebel bereits geklärt, dass das kein Problem sein würde, also ging alles reibungslos. Kurze Taschenkontrolle und drin war ich. In der ersten Reihe rechts außen war für Presse reserviert. Ich war so frei – auch weil ich wusste, dass sich keine anderen Pressevertreter einfinden würden – mich da hin zu setzen. Frau Blanck war so nett mir ein Wasser aus dem Vorrat der AfD zu spendieren, weil ich massive Kopfschmerzen schon vor Beginn der eigentlichen Vorträge hatte. Dafür nochmal herzlichsten Dank!
Ich richtete mich also ein, schaute mich etwas um, machte ein paar erste Fotos. Malte Kaufmann und Nicolaus Fest trafen ein und während sich Herr Fest mit euphorisierten Fans fotografieren ließ, sprach Herr Kaufmann mit unterschiedlichen Leuten im Saal.
Frau Kaufmann kam diesmal bei mir persönlich vorbei und untersagte mir, Aufnahmen der Kaufmannschen Kinder anzufertigen. Nicht dass ich das normalerweise mache. Die Kinder der Familie Kaufmann wurden nicht von mir auf Plakate gedruckt und an zahlreiche Laternenpfähle der Stadt gezurrt und ich habe auch keine Werbevideos mit ihnen gedreht, die meiner politischen Karriere aufhelfen sollen. Aber gut. Es gab ja diese eine Ausnahme, in der ich tatsächlich Aufnahmen der Mädchen gemacht hatte (so dass man ihre Gesichter NICHT erkennen konnte). Und zwar im Fall der Stadtbibliothek, bei der ich dokumentiert hatte, dass die Kinder gegen jeden elterlichen Instinkt einer Situation ausgesetzt worden waren, in der sie schlicht nichts zu suchen hatten. Gestern wurden die Kinder vor Veranstaltungsbeginn mit Tüten versorgt, in denen sich scheinbar Beschäftigungsmöglichkeiten befanden und ich sah sie während die Veranstaltung lief nicht im Saal. Wie schön, wenn Kritik wirkt.
Herr Kaufmann kam kurz nach seiner Gattin ebenfalls bei mir vorbei und ordnet in etwas schärferem Ton als seine Frau das Gleiche an. Ich hätte ihn gern gefragt, wie das nun zu seinem Drang zur Präsentation seiner Kinder in der Öffentlichkeit passt, aber Herr Kaufmann teilte mir mit: „Ich spreche mit Ihnen nicht. Sie betreiben eine Hass-Seite. Sie betreiben eine Rufmordkampagne und ich spreche mit Ihnen nicht, bis Sie sich entschuldigen.“ Ich antwortete: „OK.“ Er stiefelte von hinnen und ich drehte mich um und sah, wie hinter mir grade der Werbefilm von Imad Karim an die Wand gebeamt wurde und die Kinder durch den Kaufmannschen Garten liefen. Ich muss es gestehen, ich hatte schon ein wenig das Gefühl in einem Irrenhaus zu sitzen.
Und dann war da dieser seltsame Mann mit Brille, der mich zuvor vor der Halle krank genannt hatte wegen meiner Ansicht zu Gaulands jüngsten Fehlleistungen. Irgendwie scheint ihn dieses Gespräch mehr erregt zu haben, als mich. Denn er stand irgendwann mit seiner Kamera ein paar Meter von mir entfernt und sprach ins Leere. Ich dachte er wolle eine Gruppe in meinem Rücken fotografieren oder die Kaufmannschen Kinder im Film und sortierte weiter meine Sachen. Weil der merkwürdige Mensch, nennen wir ihn mal Brillen-Otto – warum klärt sich gleich – aber immer weiter vor sich hin brabbelte, schaute ich dann doch mal genauer hin und schwupps machte er ein Bild von mir. Er fand das anscheinend ganz toll, war sichtlich stolz auf seine Leistung und lief davon. Jetzt bin ich ja inzwischen zwar auch irgendwie Publizistin (wobei ich auch einen richtigen Job habe, im Gegensatz zu den AfD-Publizisten), dadurch, dass ich auf dieser Seite über die AfD schreibe, aber ich bin weder Pressevertreterin noch eine Person des öffentlichen Lebens – glaube ich wenigstens. Und weil das so ist und ich eigentlich eher nicht von fremden Männern fotografiert werden möchte, ohne dass ich weiß was das soll, lief ich also zu ihm hin und fragte freundlich, wer mich denn da abgelichtet habe. „Ich“. War die Antwort. Erneute Nachfrage von mir: „Ich ist aber kein Name. Wer sind Sie denn.“ Antwort: „Ich.“ Dann folgte eine wahrscheinlich provozierend gemeinte Aufforderung mich zu entfernen, die Frage ob ich nicht damit klarkäme und noch irgendwas. Es war also sinnlos, daher dachte ich: „Der Brillen-Otto (irgendwie muss man so eine Gestalt ja nennen) ist so erregt, der kann sich grad nicht erinnern wie er heißt, frage ich doch mal Frau Blanck.“ Die wollte mir den Namen des heftig gestikulierenden Herrn aber auch nicht verraten. Brillen-Otto rief mir dann noch nach: „Platz!“, als ich zu meinem Stuhl zurückging und hatte im Folgenden damit zu tun, sich immer eine Zeitung vors Gesicht zu halten, wenn er meinte, dass ich ihn ebenfalls fotografieren würde. Eine weitere solche Fotoaktion startete am Ende der Veranstaltung auch noch ein anderer, dem Brillen-Otto nicht ganz unähnlicher Herr. Sein Kumpel und er fanden das sehr spaßig. Als kleine, dicke Mitvierzigerin mit Brille entspricht man nicht dem Schönheitsideal der Herren AfDen, konnte ich gemurmelten Bemerkungen entnehmen. Diese Erkenntnis traf mich nun nicht vollends unvorbereitet. Überrascht war ich allerdings etwas vom Infantilisierungsgrad erwachsener Männer jenseits der Blüte ihrer Jahre.
Dann ging’s los. Um ca. 19.35 Uhr. Die Halle hat ca. 200 Plätze und ist grob geschätzt etwa halb voll oder etwas mehr. Ich versuche es kurz zu machen, auch wenn sich die ganze Nummer bis 22.00 Uhr hinzog. Es startete Herr Blanck mit einführenden Worten und Dank an die Polizei (Dank an die Polizei war so wichtig, dass alle immer wieder dankten). Keine Ahnung ob die Polizei das mitbekam. Ich glaube sie waren gar nicht im Saal. Jedenfalls folgte gleich nach Blanck der Herr Kaufmann und schwadronierte kurz über „Hassseiten“, die sogar sein Haus im Internet abbilden würden (es war eigentlich nur seine Solaranlage und ich habe penibel darauf geachtet – auch wenn es völliger Blödsinn ist – eine Lokalisierung des Daches durch Nachbarschaft oder Straßen zu vermeiden). Blödsinn ist es deshalb, weil der Herr Kaufmann überall seine Adresse hinschreibt. Z. B. auf seine Website und auf die verweist er, wenn er möchte, dass man sich über seine Auftrittstermine informiert. Man muss jetzt echt kein Hacker sein, um da mal zu googeln. Mein schlechtes Gewissen hält sich also in überschaubaren Grenzen. Dass es Kaufmann nervt, wenn er dabei erwischt wird, wie er Wasser predigt und Wein säuft, was seine energiepolitischen Aussagen angeht… das ist kein Hass meinerseits. Das ist seine eigene Minuskompetenz und -vertrauenswürdigkeit.
Was nach dem kleinen Schlenker folgte, das war das Übliche. Die AfD ist großartig, wird aber verfolgt von „der Antifa“, die verhindert, dass die AfD ihr Meinungs- und Versammlungsrecht ausüben kann… lalala. Interessant ist folgender Satz, den der Herr Kaufmann sagte: „Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit von allem, was mit Rechtsradikalismus und Nazitum zu tun hat.“ – Wer ist „WIR“? Die AfD? Alter, was für ein irrer Scherz. Lustig war die Idee des Herrn Kaufmann, dass Wähler in Meinungsumfragen möglicherweise nicht zugeben würden, die AfD wählen zu wollen, weil sie hinter der Umfrage „verkappte Spitzel des Arbeitgebers“ vermuteten. Aluhut ick hör dir knistern! Und gleich darauf meinte er noch, dass in der Wahlkabine niemand sehe, wo man sein Kreuz mache… glaubt er das wirklich, nach dem Satz von vorher? Da sind SENDER in den Bleistiften!
Herr Kaufmann verspürt außerdem eine Wechselstimmung in der Bevölkerung. Wenn man seinen Beispielen, die er als Beleg dafür anführt zuhört, hat man das Gefühl, er schwimme auf einer Riesenwelle der Begeisterung. Frauen in großen Gruppen sind so froh, dass es endlich den Herrn Kaufmann und seine AfD gibt (alle vorgelesenen Beispiele von Begeisterten waren immer Frauen. Geht man danach, ist die AfD die „Brigitte“ unter den Parteien). Dauernd hupen Leute, wenn der Herr Kaufmann das Haus verlässt. Daumen werden gereckt, Hände dankbar geschüttelt. Es muss ein Wahnsinn sein! Demnächst stehen bestimmt früh am Morgen Horden völlig hysterisierter Frauen vor seinem Einfamilienhaus und kreischen sich in Ohnmacht, wenn er die Tür aufmacht (ich stelle mir die jetzt seltsamerweise in schwarz-weiß und mit Beehives vor…) =)
Ansonsten erfuhr man eigentlich nur, dass die AfD das Wahlprogramm der CDU von 2002 (glaube ich) abgeschrieben hat und dass für den Herrn Kaufmann wahre Konservative diejenigen sind, die „etablierte Werte bewahren und erhalten wollen.“ – Tja… passt nicht ganz zu dem, was sich später rausstellen wird. Während Malte spricht, stelle ich fest, dass es im Publikum eine weitere AfD-Gegnerin gibt, die ein paarmal dazwischenruft. Ich verstehe sie. Das Geseier ist ja auch wirklich kaum zu ertragen. Nach dem dritten Zwischenruf ist sie dann verschwunden. Ob freiwillig oder mit Druck kann ich nicht sagen. Jedenfalls findet das Publikum das ganz toll. Ich sag nur: Meinungsfreiheit… alle klar?
Malte ist irgendwann fertig und übergibt an Fest. Der fragt mit süffisantem Blick auf die drei Wasserfläschchen unterm Rednerpult zuerst mal, ob sich die Erfindung von Gläsern schon rumgesprochen habe und äußert seine Enttäuschung darüber, dass ihm von AfD-Gegnern nicht dieselbe Aufwartung gemacht wurde, wie dem Herrn Krah. Ich würde am liebsten reinrufen: „Wie man’s macht ist es nicht recht!“
Dann geht der Herr Fest dazu über eine kleine Presseschau zu liefern zu angeblichen Falschaussagen zur AfD in den „Mainstreammedien“, allen voran findet er die Süddeutsche Zeitung besonders schlimm (er nennt sie Alpenpravda). Im Saal wird eine halbe Stunde später außer mir keinem auffallen, dass er die SZ in einem anderen Zusammenhang eine seriöse Quelle nennt. Es folgt eine Kritik an den Wahlkämpfen der anderen Parteien, wahlweise an deren Kampagnen oder Personal oder auch an beidem. Dass das Ganze nichts, aber auch gar nichts darüber aussagt, was die AfD denn eigentlich für ein Programm hat und was sie politisch fordert, fällt den Anwesenden vor lauter Schenkelgeklopfe ob der eher rustikalen Pointen des Herrn Fest nicht auf.
Dann lernen wir: Flüchtlinge gibt’s gar nicht. Schutzsuchende gilt auch nicht. Sind alles Auswanderer. Und danach wird’s FINSTER! Der Familiennachzug wird Deutschland verschlingen und der Herr Fest kann sich nicht entscheiden, ob er nun die Regierung kritisiert oder doch die Medien oder irgendwie alles, weil… is ja eh Wurst. Untergang!
Während Fest am Anfang seiner Rede noch Qualitätsjournalismus als Quelle verunglimpft hatte, zitiert er dann selber aus Studien, die er auf science-files gefunden hat. Da liegt die AfD schon bei 15%. Ich grinse mir eins und denke: „Nö, da haben sie sich vertan und wollten eigentlich 51% schreiben!“ Politisch, sagt der Herr Fest, hat die AfD alle Antworten. Auf alles. Er verrät sie nur nicht. Keinen stört’s. Überhaupt ist alles kaputt in Deutschland. Eine Ruine. Nichts gibt’s mehr. Der Sozialstaat existiert nicht mehr, der Rechtstaat auch nicht. Wirtschaftlich sind wir am Ende… „Wir müssen um unsere Heimat kämpfen!“ sagt er und ich frage mich, ob die Jungs eigentlich in Tunneln unter der Erde leben, weil… wenn ich raus gehe, dann gibt’s das alles. Dann horche ich auf, denn es geht auf einmal darum, warum die AfD die Heimat der Konservativen sein soll.
Weil, sagt der Herr Fest, die AfD die Kultur verteidige, die sich auf das Christentum und – ACHTUNG – die Aufklärung gründe. Jo, da wird’s jetzt interessant. Denn eigentlich ist der Konservativismus eine Gegenbewegung zur Aufklärung und lehnt deren Errungenschaften ab. Auch Fests Idee vom Individuum, das im Mittelpunkt steht, ist interessant, denn das gilt nur für den anglo-amerikanischen Konservativismus, während es in der kontinentaleuropäischen Auffassung grad andersrum ist. Der Herr Fest muss das wissen, denke ich. Und wenn er es weiß, was brabbelt er dann? Ist die AfD am Ende gar nicht konservativ sondern sowas wie die CDU? Also eine Konstruktion, die zwar konservative Komponenten enthält aber nicht wirklich „the real thing“ ist? Fest führt’s nicht weiter aus. Stattdessen erzählt er wieder Anekdoten. Unter anderem über die verschleierte Frau, die einen Unterwäscheladen überfallen und die Verkäuferin verprügelt hat, weil ihr die Auslage nicht gefiel. Dass es eine Zeugenaussage gibt, die unter dem verrutschen Schleier blondes Haar und Tätowierungen gesehen haben will… juckt nicht. Dann kommt’s schon wieder: Wir müssen unsere Heimat verteidigen.
Es folgen: Anekdoten. Danach droht der Kulturabbruch durch Überfremdung, weil – sagt der Herr Fest – eine Kultur könne man als Fremder nicht in der ersten oder zweiten Generation übernehmen („Das muss Malte dringend Imad Karim sagen!“, denke ich.) Herr Fest bringt das Beispiel, dass man als Deutscher keine Poesie in Englisch lesen und was davon verstehen könne. Also ich kann das. Ich mach das dauernd. Deswegen bin ich zwar noch lange keine Engländerin, aber ich kann am eigenen Leib bestätigen, dass das Beispiel Scheiße ist. Ist aber egal. Wir werden eh überrannt werden, wie’s aussieht, meint der Herr Fest. Wir werden islamisiert werden. Aber es gibt Hoffnung. Die AfD wird das nämlich verhindern. Und ich denke: „Irgendwie geht mir die ganze Aufstands-Rhetorik langsam auf die Nüsse.“
Wenn die AfD erstmal in einem heroischen last Stand dann den Untergang des Abendlandes verhindert hat (ich denke an Brillen-Otto, wie er seinen Jägerzaun gegen die anbrandenden Horden hält), dann will sie „das Land wieder aufbauen im Sinne der christlichen Aufklärung.“ Sagt der Herr Fest. Es folgen Anekdoten und die Feststellung, dass Schüler nichts mehr könnten und die steile These, die AfD sei die Partei mit dem größten sozialen Gewissen. Wenn ich Tomaten hätte, ich würd sie spätestens jetzt schmeißen.
Ende der Rede Fest. Standing Ovations. Schon wieder. Malte hatte auch welche. Fest kriegt aber zusätzlich noch rhythmisches Klatschen. Ich sitze und schreibe noch. Offensichtlich lügen AfDen, wenn sie sagen, man müsse sich nur mal so eine Versammlung anschauen, dann würde man schon sehen wie toll die AfD und ihre Fans so sind. Ich mache das nun schon zum wiederholten Male und… NICHTS. Ich finde die Trümmertruppe immer noch überflüssig, inkompetent und dreist.
Die Moderation übernimmt jetzt Herr Gerschinski, denn es beginnt die Fragerunde.
Frage Eins haut gleich mal richtig rein. Der Herr stellt fest, dass die Aufklärung im Widerspruch zu den Idealen des Konservativismus steht. Sag ich doch! Das Schöne ist: Er ist ein AfD-Fan und irgendwie wissen sie nicht, wie sie mit dem Statement umgehen sollen. Neben mir murmelt MdL Klos, das sei Schwachsinn und ich drehe mich zu ihm um, grinse breit und erkläre, dass der Kerl aber Recht hat. Klos versteht offensichtlich gar nichts. Hat ihm bisher noch keiner erklärt, dem Betreuungsbeauftragten der AfD Heidelberg. Aber eigentlich will der Fragesteller gar keine Grundsatzdebatte über Konservativismus. Was er wissen möchte ist, was die AfD zu tun gedenkt, um eben NICHT im Geiste der Aufklärung, sondern aus purer konservativer, christlicher Überzeugung die Ehe für Alle wieder abzuschaffen und das Aufklärungsdenken insgesamt zu beenden. Fest antwortet und was er da sagt ist erstaunlich, weil er ja kurz zuvor ganz beseelt davon sprach, die AfD gründe sich ideologisch auf Christentum UND Aufklärung. Er meint, man müsse alle Genderprofessuren abschaffen („Klar!“ denke ich. „DAS sind seit jeher die Gralshüter der Werte der Aufklärung gewesen!“) und Schulbücher entsprechend ändern. Und Schwupps hat er seinen einen Pfeiler der Kultur, die er bei uns so dringend retten möchte, einfach mal in den Hartz gekickt. So ganz nebenbei.
Frage Zwei: Jemand fragt, ob Hans-Olaf Henkel recht hat, wenn er sagt, dass die AfD nicht wählbar sei und dass es in der Partei zweifelhafte Gestalten gäbe. Auch der Fragesteller will keine ehrliche Antwort hören. Malte Kaufmann schwadroniert, über Ausschlußvereinbarungen und natürlich lautet die Antwort kurz gesagt: NEIN! Das ist als würde man einen Hütchenspieler fragen, ob man wirklich gewinnen kann, wenn man mit ihm spielt und ich denke: „Mann, schau dich mal bei ordentlichen Medien um!“
Es folgt eine Frage dazu, wie die AfD Schwangerschaftsabbrüche verhindern will. Malte Kaufmann antwortet, Abreibung sei ein Skandal. Dass die Freiheit der Frau angeblich nicht verhandelbar sei… es stellt sich wieder mal raus, das gilt nur, wenn es sich um das maximale Recht auf Textilfreiheit handelt. Fest hat dann auch noch ein hübsche Idee. Er findet, dass man wieder viel mehr Waisenhäuser eröffnen sollte und ich denke an Irland…
Dann fragt einer, wie die Herren auf der Bühne es finden, dass Frauke Petry was gegen Anti-Merkel-Demonstranten gesagt und gerügt hat, dass deren Verhalten undemokratisch sei und Malte lässt auch diese Gelegenheit nicht verstreichen, um zu lügen wie gedruckt. Man habe in Heidelberg nur eine Mahnwache gehalten und dabei bewusst auf Trillerpfeifen verzichtet… „Nett!“ denke ich. „An Eurem Stand habt ihr das wohl, aber eure JA, die hat eifrig mitgemischt. Von wegen, dass ihr Euch an demokratische Verhaltensregeln gehalten habt.“
Nächste Frage: Interne Streitigkeiten und Parteiausschluß Höcke. Fest laviert. Er findet Höckes Aussagen korrekt, aber eben zeitlich ungeschickt gewählt. Die Partei sei aber absolut nicht zerstritten, erklärt er dann noch, aber sich klar auf Petrys Seite stellen, das mag er doch nicht, weil er ja genau weiß, dass er Quatsch erzählt. Zu Weidel hat er auch was zu sagen. Sie sei eine Patriotin, die sich zu diesem Land bekenne. Ich denke nur: „Schweiz?“ Dann sagt er noch einen interessanten Satz: „Die großen Zerwürfnisse dringen derzeit nicht an die Oberfläche.“… Ich frage mich, ob er merkt, dass er sich grade selbst widerspricht.
Ein weiterer Zuschauer will wissen, ob die AfD nicht die Kita-Gebühren in BaWü abschaffen könne. Sein Sohn würde sich sehr darüber freuen. Da muss Klos ran. Der faselt erstmal irgendwas von einem Streit mit der Parlamentspräsidentin im Landtag, dann versucht er ungelenk zu erklären, dass Kita-Gebühren Sache der Kommunen sind und meint, die AfD müsse jetzt erstmal zusehen, dass sie möglichst Bürgermeister in den Gemeinden stellt, um solche Sachen regeln zu können. Als ob die AfD Kita-Gebühren aufheben würde. Wozu gibt’s Frauen zuhause?
Nächste Frage: Wie will die AfD Sicherheit für Frauen und Mädchen schaffen? Antwort Fest: An allem sind Fremde schuld. Daher: „Abschaffung rechtswidriger Duldung, Internierung von Menschen ohne Papiere in ehemaligen Kasernen oder umzäunten Gebieten, auch kleineste Vergehen verwirken Aufenthaltsstatus = sofortige Abschiebung.
Und letzte Frage: Umpolung der Presse (sic!). Da fällt ihnen allen nichts Richtiges ein. Fest faselt was davon warum Journalisten angeblich mehrheitlich rot-grüne Präferenzen haben.
Das war’s und ich bin froh, dass es endlich vorbei ist.
Was habe ich nun gelernt? Warum ist die AfD die neue Heimat für Konservative? Keine Ahnung. Sie wissen ja noch nicht mal selbst, was konservativ eigentlich heißt. Was sie wissen ist, dass sie irgendwie alles haben wollen wie früher. Ich stelle fest: AfDen sind keine Konservativen sondern bestenfalls sind es Konservatoren oder gar Konserven. Darauf mache ich mir jetzt eine Dose Ravioli auf.
Bewunderung fürs Durchhalten und Mitgefühl für die erduldeten Qualen ;-). Der Text ist informativ und darüber hinaus gar nicht so lang wie angekündigt, da sehr kurzweilig zu lesen. In mir ist allerdings die Überzeugung gereift, dass ich für den Besuch solcher Veranstaltungen ungeeignet bin. Bei Typen wie „Brillen-Otto“ und seinem Kumpel wäre es mit meiner Contenance wahrscheinlich vorbei gewesen und man hätte mich als Störer des Saales verwiesen.